Startschuss für Bündnis gegen Wucher

Institut für Finanzdienstleistungen und Verbraucherzentralen Sachsen und Hamburg sagen Wucher den Kampf an
Bündnis gegen Wucher
Bündnis gegen Wucher: Prof. Dr. Udo Reifner, Michael Knobloch (Verbraucherzentrale Hamburg), Andea Heyer (Verbraucherzentrale Sachsen), Dr. Dirk Ulbricht (IFF) (vlnr)

In Leipzig wurde heute ein bundesweites Bündnis gegen Wucher gegründet. Mit dabei sind nicht nur die Verbraucherzentralen Sachsen und Hamburg, sondern auch das Institut für Finanzdienstleistungen (IFF) und der Hamburger Rechtsanwalt Prof. Dr. Udo Reifner. Gemeinsam wollen sie Banken-Wucher eindämmen und Rechtssicherheit für Verbraucher schaffen. „Viele sind sich unsicher, wann es sich um Wucher handelt und welche Rechte Ihnen zustehen. Das wollen wir ändern“, erklärt Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen.  
 
Zunächst fokussieren die Finanzexperten vor allem auf Bereiche, in denen viele Kunden ihrer Bank überteuerte Preise zahlen oder in der Kostenfalle landen.

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Kostenfalle Restschuldversicherung

Seit Jahren vergeben Institute wie die TARGOBANK oder die Santander Consumer Bank in vielen Fällen Verbraucherkredite mit Restschuldversicherungen. Diese Kombination ist für Kreditnehmer sehr teuer. Dem Bündnis liegen Fälle vor, in denen der für die gesamte Laufzeit im Voraus zu zahlende – hoch drei- bis vierstellige – Versicherungsbeitrag ebenfalls per Kredit finanziert wurde. Werden die Kosten der Restschuldversicherung bei der Berechnung des Krediteffektivzinses berücksichtigt, steigt dieser Zins gegenüber der Angabe im Vertrag deutlich – mitunter auf das Doppelte und noch höher. Wenn dabei das Doppelte des marktüblichen Zinssatzes erreicht wird, ist nach Meinung des Bündnisses die Grenze zum Wucher überschritten. Dies ist bisher nicht gerichtlich entschieden worden, was das Bündnis aber ändern möchte.

Einige Kreditnehmer haben im Alltag mit ihren Darlehen schwer zu kämpfen, wissen Schuldner- und Insolvenzberater. Auch erleben sie, dass Schulden krank machen können. Die Studie „Armut, Schulden und Gesundheit“ des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von 2008 hat dies schon vor Jahren belegt. Auch dem Staat entstehen dadurch hohe Kosten“, so IFF Direktor Dirk Ulbricht. „Hier muss etwas passieren.“


Kettenkredite, hohe Zinsen und Umschuldung  
Auch verschiedene Kreditformen können unter dem Wucheraspekt gesehen werden, so zum Beispiel Dispo- oder Kreditkartenkredite mit Zinssätzen von 12 bis 16 Prozent pro Jahr. Die TARGOBANK verlangt aktuell zum Beispiel 12,43 Prozent Zinsen pro Jahr, wenn die vertraglich vereinbarte Überziehung des Plus-oder Komfort-Girokontos über 50 bzw.100 Euro hinausgeht. Für die Mastercard select werden 16,18 Prozent pro Jahr gefordert. Noch besser verdient diese Bank am Verkauf ihrer „Individual-Kredite“ mit Kreditlebensversicherung. „Es ist unseres Erachtens moderner Wucher, wenn im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Nettokredits über 24.000 Euro eine Kreditlebensversicherung zum Preis von knapp 8.000 Euro mitverkauft wird“, erklärt Michael Knobloch, Vorstand Verbraucherzentrale Hamburg.  Regelmäßig kommt es dazu, dass Kreditnehmer diese finanzielle Last nicht mehr tragen können. Es folgen ebenfalls teure Umschuldungen.  Der Hamburger Rechtsanwalt Reifner ist auch als Kreditsachverständiger vor Gerichten tätig. Er kennt eine Darlehensnehmerin mit einer Kette von acht Kreditverträgen. „Die Kundin hat so gut wie keine Chance, ohne gerichtliche Hilfe schuldenfrei zu werden. Die vertraglichen Laufzeiten schieben das Vertragsende immer weiter in die Zukunft – bis in ihre Rente hinein. Und trotz der Rückführung aller Kredite ist ihre Schuld über mehr als 19 Jahre von knapp 18.000 Euro auf über 47.000 Euro gestiegen“, so Reifner.
 
Das Bündnis ist sich sicher: Solche Fälle müssen in der Öffentlichkeit wie auch in der Politik diskutiert und vor Gericht gebracht werden. Dazu ist es nötig, die Fälle rechnerisch aufzuarbeiten. Mit Hilfe eines neuen Rechentools kann Wucher sehr leicht nachgewiesen werden. Diese Überprüfungen können bei den Verbraucherzentralen Sachsen und Hamburg sowie beim IFF durchgeführt werden.   
 
Bündnis sucht weitere Partner 
Das Bündnis hat es sich zur Aufgabe gemacht, stetig zu wachsen. Auch die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg ist dem Bündnis schon beigetreten. „Weitere Fachexperten wie Schuldnerberatungsstellen, Rechtsanwälte oder auch andere Verbraucherorganisationen und Vereine wären tolle Partner, um schlagkräftiger zu werden und sich auch noch mehr Bereichen, etwa Inkassobüros anzunehmen, in denen Wucherpreise keine Seltenheit sind“, so Heyer.  

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