Amazon hat Werbung bei Prime Video ohne Zustimmung seiner Abonnent*innen eingeführt. Neben der Sammelklage hat die Verbraucherzentrale Sachsen nun eine Abschöpfungsklage eingereicht, um alle erzielten Gewinne zurückzufordern – was das für Kund*innen und den Konzern bedeutet.
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- Worum geht es in dem Verfahren?
Am 5. Februar 2024 führte Amazon Prime Video Werbung ein und verschlechterte gleichzeitig Bild- und Tonqualität – ohne Zustimmung der Abonnent*innen. Wer den bisherigen Standard behalten wollte, musste dafür ein Zusatz-Abo für 2,99 Euro im Monat abschließen. Die Verbraucherzentrale Sachsen sieht darin eine versteckte Preiserhöhung.
Die Klage zielt darauf ab, die Gewinne abzuschöpfen, die Amazon dadurch erzielt hat – sowohl durch das Zusatz-Abo als auch durch die Werbeeinnahmen. Das Gesetz sagt klar: Unternehmen dürfen aus solchen Rechtsverstößen keinen Gewinn ziehen.
- Was hat die Abschöpfungsklage mit der laufenden Sammelklage zu tun?
Die Abschöpfungsklage ist besonders wichtig, wenn nur wenige Betroffene klagen:
- Deutschlandweit gibt es rund 17 Millionen Prime-Kund*innen
- Bisher haben sich weniger als 1 % der Betroffenen an der Sammelklage beteiligt
Mit der Abschöpfungsklage können auch die restlichen Gewinne von Amazon zurückgefordert werden – auf drei Jahre gerechnet schätzungsweise mindestens 1,8 Milliarden Euro.
Was passiert, wenn Amazon verliert & die Klage erfolgreich ist?
- Ein Erfolg hätte Signalwirkung: Große Plattformen könnten einseitige Vertragsänderungen nicht mehr ohne Folgen durchsetzen, selbst wenn nur wenige Betroffene klagen.
- Es zeigt: Marktbeherrschende Digitalkonzerne stehen nicht über dem Gesetz.
- Die geschätzten 1,8 Milliarden Euro fließen an die Bundesrepublik.
WICHTIG: In der Klage haben jedoch die Ansprüche der Verbraucher*innen Vorrang. Das bedeutet: Nur der Betrag, der nach Rückerstattung an alle Sammelkläger*innen übrigbleibt, wird an den Staat abgeführt. Je mehr Menschen sich also der Sammelklage anschließen, desto mehr muss Amazon direkt an seine Kund*innen zurückzahlen.
- Wer klagt noch gegen Amazon – und warum?
Neben der Abschöpfungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen gibt es weitere Verfahren der Verbraucherzentralen, die unterschiedliche Ziele verfolgen:
- Sammelklage der Verbraucherzentrale Sachsen: Sie fordert für Prime-Video-Nutzer*innen die individuelle Rückerstattung der unrechtmäßig erhobenen Gebühren.
- Unterlassungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands: Sie soll Amazons Vorgehen dauerhaft stoppen.
- Wettbewerbsrechtliches Verfahren der Verbraucherzentrale NRW (bereits erfolgreich abgeschlossen): Dieses richtete sich gegen eine ältere, anders begründete Prime-Preiserhöhung. Das Ganze hat aber nichts mit der Umstellung von Prime Video 2024 zu tun.
- Erhält die Verbraucherzentrale Geld aus dem Verfahren?
Nein. Der abgeschöpfte Betrag fließt – abzüglich einer vom Bundesamt für Justiz genehmigten Erfolgsbeteiligung für den Prozessfinanzierer – vollständig in den Bundeshaushalt.
Der Prozessfinanzierer Burford Capital übernimmt das gesamte Kostenrisiko. Scheitert die Klage, trägt er alle Kosten, auch die der Gegenseite, und erhält nur im Erfolgsfall eine vorher vereinbarte Vergütung.
- Wie lange wird das Verfahren voraussichtlich dauern?
Die Klage verläuft in Stufen: Zuerst muss Amazon offenlegen, welche Gewinne durch die Prime-Video-Umstellung erzielt wurden. Erst danach entscheidet das Gericht über die Höhe der Abschöpfung. Aufgrund der wirtschaftlichen Dimension und der zu erwartenden Gegenwehr kann das Verfahren mehrere Jahre dauern.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.
