Schadensersatzanspruch als Zahlungsgrund
Post vom Gerichtsvollzieher ist selten ein gutes Zeichen. Kein Wunder also, dass Frau S. aus Großenhain in Panik geriet, als sie den großen Pappumschlag aus dem Briefkasten zog. Der Inhalt: ein Pfändungsbeschluss und ein Vollstreckungsbescheid – wegen einer angeblichen Teilnahme an „Lotto 6aus49“. Doch Frau S. spielt gar kein Lotto.
Der angebliche Obergerichtsvollzieher Dr. Lutz Mühlenstädt aus Frankfurt am Main forderte 965 Euro – eine Summe, die Frau S. nach eigener Aussage nicht aufbringen konnte. Als Zahlungsgrund wurde ein Schadensersatzanspruch angegeben. Doch Frau S. bestreitet, je einen solchen Vertrag abgeschlossen zu haben. Eine vorherige Zahlungsaufforderung hatte sie ebenfalls nie erhalten.
„Dass ein hessischer Gerichtsvollzieher sich bei einer Verbraucherin in Großenhain meldet, war sofort verdächtig“, sagt Anett Wagner, Rechtsberaterin in Meißen. Weitere Alarmzeichen: eine dubiose E-Mail-Adresse, die nicht zur Behörde passte, und ein QR-Code als einzige Zahlungsmöglichkeit.
Angebliche Gerichtsvollzieher drohte mit Ersatzfreiheitsstrafe
„Ich kann gut verstehen, dass solche Schreiben zunächst Angst auslösen“, sagt Anett Wagner. „Immerhin war sogar das hessische Landeswappen farbig auf dem Briefkopf abgedruckt.“ Besonders beunruhigend: Die angegebene IBAN stimmte tatsächlich mit der Kontonummer von Frau S. überein. „Als sie dann auch noch las, dass ihr Konto angeblich bereits gepfändet sei, suchte sie völlig aufgelöst unsere Beratung auf.“
Der angebliche Gerichtsvollzieher drohte sogar mit Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen. Im „Vollstreckungsbescheid“ wurde auf Art. 169 des Strafgesetzbuches verwiesen – dabei gibt es im deutschen Strafrecht nur Paragraphen. Und § 169 StGB behandelt etwas völlig anderes: Personenstandsfälschung. Der zitierte Artikel stammte aus dem schweizerischen Strafgesetzbuch.
Auf Nachfrage beim Amtsgericht Frankfurt am Main wurde klar: Die Masche ist dort bekannt, ein Gerichtsvollzieher mit dem Namen Dr. Lutz Mühlenstädt existiert allerdings nicht.
Keine QR-Codes scannen, Absender genau prüfen
Frau S. war sichtlich erleichtert, dass es sich um einen Fake-Gerichtsvollzieher handelt und sie nichts bezahlen muss.
Wer wie Frau S. unerwartete Zahlungsaufforderungen erhält, sollte vor allem Ruhe bewahren. Die Verbraucherzentrale Sachsen empfiehlt: Keine QR-Codes scannen, unbekannte Verträge kritisch prüfen und Absender unabhängig kontrollieren – niemals über die angegebenen Kontakte. Im Zweifel zuerst beraten lassen, dann handeln!
Beratungstermine können online oder telefonisch unter 0341 – 696 29 29 vereinbart werden.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.