Der Brief wirkt auf den ersten Blick seriös: juristische Formulierungen und ein Züricher Kanzleisitz sollen Vertrauen erwecken. Die vermeintlich renommierte Kanzlei „Anwaltskanzlei Norvarski & Partners LLP“ behauptet in ihren Schreiben, Empfänger*innen hätten Anspruch auf eine „gerichtliche Schadenswiedergutmachung“ in Höhe von 64.280 Euro – angeblich wegen betrügerischer Gewinnspiele. Doch wer solche Post erhält, sollte vorsichtig sein: Hinter der vermeintlichen Hilfe steckt wahrscheinlich ein perfider Trick.
Täter nutzen alte Datensätze
„Die Nutzung juristischer Fachbegriffe, Verweise auf ein ‚Remissionsverfahren‘, beigefügte Unterlagen wie vermeintliche Gerichtsbescheide oder Kontoauszüge sowie der Hinweis auf eine professionell gestaltete Webseite erwecken den Anschein von Vertrau-enswürdigkeit“, erklärt Steffi Meißner, Beratungsstellenleiterin in Bautzen. Bei diesen Schreiben handelt es sich aber sehr wahrscheinlich um einen Betrugsversuch.
Bei einem Fall aus dem Raum Bautzen wurde das Schreiben an eine frühere Adresse der Betroffenen versandt – eine Adresse, unter der sie vor Jahren bereits von dubiosen Gewinnspielanbietern kontaktiert und zur Zahlung gedrängt worden war. Die Täter nutzen offenbar bewusst alte Datensätze, um den Betrug glaubwürdiger erscheinen zu lassen.
Fake-Webseiten sollen Vertrauen erwecken
Die Verbraucherzentrale Sachsen hat die in dem Schreiben benannten „Rechtsanwälte“ überprüft: Keiner von ihnen ist im Register des Zürcher Anwaltsverbandes auffindbar – ein starkes Indiz für ein professionell konstruiertes Betrugsmodell.
Zudem behauptet der beigefügte, scheinbar gerichtliche Beschluss, die Kanzlei Norvarski & Partners LLP sei Prozessbevollmächtigte der Verbraucher*innen. Tatsächlich hatten die Betroffenen aber vor Erhalt dieses Schreibens keinerlei Kontakt zur Kanzlei. Eine entsprechende Vollmacht wurde also weder erteilt noch veranlasst.
Bei näherer Prüfung der Website fällt außerdem auf, dass sie typische Merkmale betrügerischer Fake-Kanzleien aufweist: fehlende Nachweise, fragwürdige Kontaktinformationen und technisch junge Domains. Die Seite dient offenbar ausschließlich dazu, bei Geschädigten Vertrauen zu erzeugen.
Druckaufbau durch Fristen
Ähnliche Fälle enthalten häufig Forderungen für angebliche Bearbeitungs- oder Notargebühren oder kündigen ein sogenanntes „Legitimationsverfahren“ an. „So wird Druck durch Fristen aufgebaut, damit Betroffene keine Zeit zum Überlegen oder Recherchieren haben“, erklärt Steffi Meißner.
Die Verbraucherzentrale Sachsen rät dringend, auf Post dieser Art nicht zu reagieren, keine Daten herauszugeben und keine Zahlungen zu leisten – auch nicht für angebliche Gebühren oder Verwaltungsakte. „Betroffene sollten zudem alle Unterlagen sichern, E-Mails dokumentieren oder sich gegebenenfalls an die Polizei wenden“, empfiehlt Steffi Meißner. Bei Unsicherheiten sollte professionelle Beratung in Anspruch genommen werden.
Wer ähnliche Schreiben erhalten hat oder unsicher ist, kann sich jederzeit an die Verbraucherzentrale Sachsen wenden. Termine können online oder telefonisch unter 0341 6962929 vereinbart werden.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.
