Werbung trotz Abo: Für Amazon-Prime-Video-Kund*innen Realität. Wer werbefrei streamen wollte, musste extra zahlen. Die Verbraucherzentrale Sachsen hält das für falsch und hat im April 2024 Sammelklage gegen den Online-Riesen eingereicht. Über 117.000 Kund*innen sind schon dabei. Jetzt gehen die Verbraucherschützer*innen noch einen Schritt weiter: Sie fordern die restlichen Gewinne der Amazon-Gesellschaften zurück – insgesamt fast zwei Milliarden Euro.
Ein Abo fürs Abo: 2,99 Euro für bisherigen Standard
Rückblick: Am 5. Februar 2024 führte Amazon Prime Video Werbung ein und verschlechterte gleichzeitig die Qualität von Bild und Ton deutlich, ohne die Zustimmung seiner Abo-Kund*innen einzuholen. Wer den bisherigen Standard behalten wollte, musste ein Zusatz-Abo für 2,99 Euro im Monat abschließen. Die Verbraucherzentrale Sachsen hält dieses Vorgehen für rechtswidrig und reichte eine Sammelklage ein.
„Wir freuen uns sehr über die große Beteiligung. Doch bei deutschlandweit geschätzt 17 Millionen Kundinnen und Kunden sind das noch nicht einmal ein Prozent der Betroffenen“, sagt Michael Hummel, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale Sachsen. „Deshalb fordern wir mit unserer zusätzlichen Gewinnabschöpfungsklage nun auch die restlichen Gewinne von Amazon. Auf drei Jahre gerechnet, sprechen wir von schätzungsweise mindestens 1,8 Milliarden Euro.“ Es ist aber auch möglich, dass Amazon mit der neuen Werbung deutlich höhere Einnahmen erzielt.
Was passiert, wenn Amazon verliert?
Gewinnen die Verbraucherschützer*innen das Verfahren, fließt dieser Betrag an die Bundesrepublik Deutschland. In der Klage haben jedoch die Ansprüche der Verbraucher*innen Vorrang. Das bedeutet: Nur der Betrag, der nach Rückerstattung an alle Sammelkläger*innen übrigbleibt, wird an den Staat abgeführt. Je mehr Menschen sich also der Sammelklage anschließen, desto mehr muss Amazon direkt an seine Kund*innen zurückzahlen.
So können sich Betroffene der Sammelklage anschließen
Wer sich bisher noch nicht angemeldet hat, kann dies jederzeit nachholen. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat alle wichtigen Informationen und eine Ausfüllhilfe für die Anmeldung hier zusammengestellt. Teilnehmen können alle Amazon-Kund*innen, die bis mindestens 5. Februar 2024 ein Prime-Abo hatten – egal, ob sie das werbefreie Zusatz-Abo abgeschlossen haben oder nicht.
„Amazon muss mit uns rechnen“
Das Verfahren wird voraussichtlich mehrere Jahre dauern. Die Verbraucherzentrale Sachsen wird dabei von starken Partnern unterstützt. Die internationale Kanzlei Hausfeld, die auf die Führung komplexer Gerichtsverfahren gegen Digitalkonzerne auf Klägerseite spezialisiert ist, übernimmt die Prozessführung. Burford Capital, der weltweit führende Prozessfinanzierer, übernimmt die Finanzierung der Klage, die zuvor vom Bundesamt für Justiz genehmigt wurde.
„Dadurch sind wir mit Amazon auf Augenhöhe und für eine jahrelange Auseinandersetzung vor den Gerichten fachlich wie finanziell gerüstet. Wer Verbraucherrechte in diesem Ausmaß verletzt, muss mit uns rechnen“, so Michael Hummel.
Hintergrund: Die Verbrauchersammelklage gibt es in Deutschland seit Oktober 2023, dank der Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie. Bislang laufen bundesweit erst zehn solcher Klagen. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Regeln für Gewinnabschöpfungsklagen verbessert und die Prozessfinanzierung erlaubt.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.
