Von Haltungsform bis Tierwohl: Alles zu Tierhaltungskennzeichnung

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Bei Fleisch- und Milchpackungen im Handel sind oft verschiedene Label aufgedruckt. Neben Markenlogos, Prüf- und Qualitätszeichen oder Bio-Siegeln finden sich auch Zeichen, die über die Art der Tierhaltung informieren. Dieser Artikel erklärt die Begrifflichkeiten und bietet Orientierung.
Eine Schweinefleischverpackung und im Vordergrund das neue staatliche Tierwohllabel mit den verschiedenen Haltungsformen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die farbige "Haltungsform"-Kennzeichnung ist ein freiwilliges Label von Handel und Landwirtschaft und nur bei teilnehmenden Händlern zu finden.
  • In Kürze kommt ein weiteres Logo ginzu: das schwarz-weiße staatliche Tierhaltungskennzeichen "TIERHALTUNG". Es ist spätestens ab August 2025 für alle frischen Schweinefleischprodukte aus Deutschland verpflichtend – und zwar bei allen Verkaufsstellen.
  • Mit "Haltungsform" können seit Jahren die wichtigsten Fleischarten und Milch gekennzeichnet werden. Das staatliche Label "TIERHALTUNG" hingegen wird zunächst nur auf Schweinefleisch zu finden sein.
  • Die "Haltungsformen ab Stufe 3 bzw. die Angaben "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio" der zukünftigen staatlichen Tierhaltungskennzeichnung signalisieren verbesserte Tierhaltungsbedingungen.
  • "Haltungsform" und "TIERHALTUNG" sind reine Tierhaltungskennzeichnungen, aber keine Tierwohl-Label. 
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Tierschutz steht hoch im Kurs. Immer mehr Verbraucher:innen wollen, dass Tiere gut leben, bevor sie geschlachtet werden. Der Handel reagiert darauf seit Jahren mit immer neuen Marken und Labeln. Im April 2019 hatte sich der Handel auf die einheitliche "Haltungsform"-Kennzeichnung geeinigt.

Die freiwillige "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels

Mit diesem 4-stufigen Label wird hauptsächlich Fleisch von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten gekennzeichnet, das in den Selbstbedingungstheken der teilnehmenden Händler ausliegt. Seit 2021 kann auch Fleisch von Kaninchen, Pekingenten und auch Milch mit der "Haltungsform" gekennzeichnet werden. Immer öfter finden Sie die freiwilligen Siegel auch bei Wurst und teilweise unverpacktem Fleisch an den Bedienungstheken der teilnehmenden Supermärkte.

Achtung: Das System der Haltungsform-Label ist genau umgekehrt im Vergleich zur Eierkennzeichnung. Während die Eierkennzeichnung dem Schulnotensystem folgt - die beste Note 1 gibt es für die Freilandhaltung - steht bei der Haltungsform-Kennzeichnung von Fleisch die Stufe 1 nur für die Stallhaltung nach gesetzlichem Mindeststandard. Über Haltungsform 2, 3 und 4 werden die Haltungsbedingungen der Tiere dann immer weiter verbessert.

Die Verbraucherzentralen haben von Anfang an kritisiert, dass der Handel mit seiner Haltungskennzeichnung nicht der von Eiern bekannten Systematik gefolgt ist.

Welche Standards die jeweiligen Produkte erfüllen, zeigt die Stufe auf dem Label:

Kennzeichnung zur Haltungsform
Quelle: www.haltungsform.de, Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH
Haltungsform 1 "Stallhaltung"

Haltungsform 1 steht bei Fleisch von Schweinen, Hähnchen und Kaninchen für die Tierhaltung nach dem gesetzlichen Mindeststandard. Bei Produkten von Puten, Mast- und Milchrindern sowie Enten zeigt Stufe 1 die branchenübliche Haltung an, da es für diese Tierarten keine speziellen gesetzlichen Haltungsvorschriften gibt. Zusätzlich müssen die Betriebe an einem Qualitätssicherungsprogramm wie dem Prüfsystem "QS" teilnehmen.

Haltungsform 2 "StallhaltungPlus"

Mit Ausnahme der Pekingenten und der Milchkühe haben die Tiere bei Haltungsform 2 etwas mehr Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 10 Prozent) und zusätzliches Beschäftigungsmaterial. Die Ställe der Enten müssen ab dieser Stufe Tageslicht haben und die Kühe dürfen nicht angebunden sein.

Haltungsform 3 "Außenklima"

Haltungsform 3 bedeutet, dass die Tiere Kontakt mit dem Außenklima haben, beispielsweise durch eine nach außen offene Stallseite oder in einem überdachten Außenbereich am Stall. Außerdem haben die Tiere – außer Enten – noch mehr Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 40 Prozent). Zusätzlich ist Futter ohne Gentechnik vorgeschrieben.

Haltungsform 4 "Premium"

Haltungsform 4 bietet den Tieren einen tatsächlichen Auslauf im Freien und außerdem den meisten Platz im Stall (Beispiel Schwein: + 100 Prozent) – nur für die Pekingenten gibt es in allen 4 Haltungsformen dieselben Vorgaben zum Platzangebot im Stall. Das Futter ist auch in dieser Haltungsform ohne Gentechnik
In diese Stufe ist Biofleisch einzuordnen. Aber auch konventionell erzeugtes Fleisch findet sich hier, wenn die Tierhaltung die beschriebenen Anforderungen erfüllt.

Fazit: Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen einzig die Haltungsformen 3 und 4 für eine deutlich verbesserte Tierhaltung.

"Haltungsform" wird 5-stufig

In Ladenregalen liegen zunehmend auch Produkte mit dem neuen 5-stufigen "Haltungsform"-Label. Nach und nach wird die 5-stufige Kennzeichnung die bisherige 4-stufige ablösen, bis dann voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2025 ausschließlich 5-stufig gelabelte Produkte zu finden sein werden.

Die 5 Stufen der Tierhaltungsform
Die Umstellung ist eine Reaktion auf die Einführung der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung mit fünf Stufen.

Die Haltungsform 4, bisher "Premium", für konventionelle und Bio-Produkte, wird wie beim staatlichen Zeichen aufgespalten in 

  • die neue Haltungsform "4 – Auslauf/Weide" für die konventionell erzeugten Produkte der bisherigen "Haltungsform 4 – Premium" und
  • die neue Stufe "5 – Bio" für die ökologisch erzeugten Produkte der ehemaligen "Haltungsform 4 – Premium". 

Die Anforderungen der einzelnen Stufen für Schweinefleisch wurden inhaltlich an das staatliche Tierhaltungskennzeichen angeglichen, was jedoch keine großen Veränderungen bedeutet. Bei den anderen Tierarten war keine Veränderung der Kriterien nötig, da das staatliche Zeichen bisher nur für Schweinefleisch gilt. 

Da derzeit (Stand Oktober 2024) die große Mehrzahl der Produkte noch 4-stufig gekennzeichnet ist, sind hier nur Eckpunkte der bisherigen 4 Stufen dargestellt. Welche Kriterien für die neue fünfstufige Haltungsform-Kennzeichnung gelten, lesen Sie auf der verlinkten Website.  

Besseres Angebot von Fleisch aus deutlich verbesserter Tierhaltung nötig

Um Verbraucher:innen wirklich Wahlfreiheit zu bieten, braucht es ein ausreichendes Angebot von Fleisch aller Tierarten aus allen Haltungsformen. Doch noch immer stammt das Angebot überwiegend aus den Haltungsformen 1 und 2. Bei Fleisch aus den höheren Haltungsformen ist die Auswahl deutlich geringer.

Die Verbraucherzentralen fordern Handel und Fleischwirtschaft auf, das Angebot von Fleischprodukten in den Haltungsform-Stufen 3, 4 und 5 deutlich auszuweiten.

Verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung kommt

Nach jahrelangem politischem Ringen wurde im Juni 2023 die Einführung einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vom Bundestag beschlossen.

Das staatlich verpflichtende Tierhaltungslabel
Quelle: www.bmel.de, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Wann kommt das staatliche Tierhaltungskennzeichen?

Spätestens ab 1. August 2025 müssen alle kennzeichnungspflichtigen Produkte damit gelabelt werden. 

Produkte, die vor diesem Stichtag auf den Markt gebracht wurden, dürfen auch ohne das staatliche Zeichen abverkauft werden. Das dürfte insbesondere länger haltbare Produkte wie zum Beispiel tiefgefrorenes Fleisch betreffen.

Welche Produkte werden gekennzeichnet?

Die Kennzeichnungspflicht gilt zunächst – voraussichtlich ab 2024 - nur für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch aus Deutschland, gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, im Lebensmittelhandel, in Metzgereien, im Online-Handel und anderen Verkaufsstellen.

Maßgeblich für die Angabe der Tierhaltungsform ist die Mastphase der Schweine. Die Phase der Ferkelaufzucht vor der Mast wird nicht betrachtet.

In nächsten Schritten soll die Kennzeichnungspflicht erweitert werden auf:

  • weitere Tierarten, wie Rinder und Geflügel,
  • das Fleischangebot in der Gastronomie und
  • verarbeitete Fleischprodukte.
Wie werden Produkte gekennzeichnet?

Anders als bei der 4-stufigen "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels unterscheidet die staatliche Kennzeichnung fünf Tierhaltungsformen: Die ökologische Tierhaltung, die bei "Haltungsform" in die Stufe 4 "Premium" integriert ist, wird separat mit "Bio" bezeichnet.

Zwischen Juli 2024 und Juli 2025 wird die "Haltungsform"-Kennzeichnung von 4- auf 5-stufig umgestellt. Danach werden sowohl die freiwillige "Haltungsform" als auch die verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung die gleich lautenden fünf Haltungsformen anzeigen. 

Die fünf Stufen sind:

  • Stall
    Haltung gemäß der gesetzlichen Mindestanforderungen.
  • Stall+Platz
    Etwas mehr Platz im Stall (+ 12,5 Prozent), zusätzlich Raufutter und Strukturierung der Ställe. 
  • Frischluftstall
    Noch mehr Platz im Stall (+ 45 Prozent) und Außenklimakontakt.
  • Auslauf/Weide
    Noch mehr Platz im Stall (+ 100 Prozent) und den Schweinen steht ganztägig ein Auslauf im Freien zur Verfügung. Alternativ können die Tiere im Freiland gehalten werden. Die Stufe "Auslauf/Weide" gilt allerdings nicht für Schweinefleisch aus ökologischer Tierhaltung.
  • Bio
    Schweinehaltung entspricht mindestens den Anforderungen der EU-Ökoverordnung. Das Platzangebot entspricht etwa der Stufe "Auslauf/Weide", dazu kommt u.a. die Verpflichtung zur Fütterung mit Öko-Futter. Anders als in den vier anderen Stufen ist in der Stufe "Bio" auch die Haltung der Ferkel gesondert geregelt (durch die Ökoverordnung). Produkte werden zusätzlich mit dem EU-Bio-Logo gekennzeichnet.Das EU-Bio-Logo.
Auch die staatliche Kennzeichnung bringt keine vollständige Transparenz

Positiv ist, dass die Kennzeichnung der Tierhaltungsform verpflichtend sein wird und auch für unverpacktes Fleisch in den Bedientheken der Supermärkte und Metzgereien gilt. Dennoch muss nicht das komplette Frischfleischangebot von Schweinen mit der Tierhaltungsform gekennzeichnet werden.

Da es sich um ein nationales Gesetz handelt, darf die Bundesregierung die Tierhaltungskennzeichnung nicht für importierte Produkte vorschreiben. Importware kann auf freiwilliger Basis mit der Tierhaltungsform gekennzeichnet werden.

Transparenz zur Tierhaltung wird es vorerst nur bei unverarbeitetem Schweinefleisch im Handel geben. Damit haben Verbraucher:innen beim Einkauf verarbeiteter Fleischprodukte und beim Essen außer Haus weiterhin keine Anhaltspunkte, wie die Tiere gehalten wurden.

Fazit: Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen einzig die Tierhaltungsformen "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio" für eine deutlich verbesserte Tierhaltung.

Tierhaltungs-Kennzeichnungen sind keine Tierwohllabel

Die "Haltungsform"-Kennzeichnung des Handels und die staatliche Tierhaltungskennzeichnung sind gute Ansätze für mehr Transparenz im Fleischangebot. Sie garantieren aber nicht, dass es den Tieren wirklich gut gegangen ist. Denn mehr Platz und Beschäftigungsmaterial im Stall bedeuten nicht automatisch mehr Tierwohl.

Für verlässliche Aussagen zum Tierwohl müssten verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien wie Lahmen, Verletzungen, Organbefunde usw. in der Tierhaltung und am Schlachthof systematisch erhoben, ausgewertet und gegebenenfalls nachgebessert werden. Diese Kriterien finden keinen Eingang in die Stufen der "Haltungsform"-Kennzeichnung und der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung.

Tierschutzlabel und "Tierwohl"-Siegel

Der Begriff "Tierwohl" und wie er verwendet wird, ist gesetzlich nicht definiert. Fachkreise sind sich zwar einig, dass Tierwohl die Gesundheit, die Möglichkeit zur Ausübung natürlicher Verhaltensweisen und einen guten emotionalen Zustand umfasst. Allerdings ist das nur eine grobe Einordnung mit viel Raum für Interpretationen. Institutionen beurteilen Tierwohl daher oft sehr unterschiedlich.

Tierschutzlabel

Tierschutzlabel

Die Anforderungen des Tierschutzlabels "FÜR MEHR TIERSCHUTZ" des Deutschen Tierschutzbunds gehen über die Tierhaltung hinaus und betreffen auch die Bereiche Tiertransport und Schlachtung. Ferner werden verhaltens- und gesundheitsbezogene Aspekte, sogenannte tierbezogene Kriterien, erhoben, und zwar nicht erst an den geschlachteten Tieren, sondern auch schon bei den lebenden Tieren im Tierhaltungsbetrieb.

Durch Kontrolle und Bewertung des Tierverhaltens kann Verbesserungsbedarf in der Haltung erkannt werden, woraufhin Maßnahmen ergriffen werden müssen. Auf diese Kriterien wird geachtet:

  • die Lauffähigkeit von Masthühnern und Rindern, 
  • der Zustand zum Beispiel der Schwänze von Schweinen und Rindern und
  • der Zustand des Gefiederzustands von Legehennen. 

Bewertung der Verbraucherzentralen: Diese Tierschutzmaßnahmen sind wichtige Beiträge zu mehr Tierwohl und rechtfertigen die Bezeichnung des Labels als Tierschutzlabel.

"Tierwohl Siegel" der Initiative Tierwohl

Die Initiative Tierwohl, ein Zusammenschluss von Land- und Fleischwirtschaft und Lebensmittelhandel, versteht sich als "Förderprogramm für Tierwohl und Kontrollsystem". Ziel ist, das Tierwohl für möglichst viele Tiere in möglichst zahlreichen Betrieben zu verbessern. Dies kann nur gelingen, wenn die Anforderungen des Programms nicht besonders hoch sind, sonst wären viele Betriebe nicht zur Teilnahme bereit.

Entsprechend gering sind die Verbesserungen für die Tiere gegenüber den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die Fleischprodukte werden mit der "Haltungsform 2" gelabelt. 

Die "Initiative Tierwohl" hat ein eigenes Produktsiegel herausgegeben, das Fleisch und Fleischerzeugnisse kennzeichnet, die von Tieren aus teilnehmenden Betrieben stammen. Die Initiative bezeichnet dieses Produktsiegel selbst als "Tierwohl Siegel".

Logo der Initiative Tierwohl

Die Verbraucherzentralen begrüßen jede Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen. Der Ansatz, durch niedrige Anforderungen eine möglichst breite Teilnahmebereitschaft zu erreichen, ist nachvollziehbar. Jedoch rechtfertigen die geringen Verbesserungen nach Auffassung der Verbraucherzentralen nicht, von einem "Tierwohl Siegel" zu sprechen.

Forderungen der Verbraucherzentrale

  1. Handel und Fleischwirtschaft müssen das Angebot von Produkten in den Haltungsform-Stufen 3 und 4 oder künftig "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio" deutlich ausweiten.
  2. Die Bundesregierung muss die staatliche Tierhaltungskennzeichnung zügig auf die weiteren Tierarten sowie Gastronomie und verarbeitete Fleischprodukte erweitern. Außerdem muss sie den Tierschutz verbessern, indem sie die gesetzlichen Tierhaltungsstandards anhebt. Auch sollte die Einführung eines obligatorischen nationalen Tierwohl-Monitorings und die Verschärfung der Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen verfolgt werden.
  3. Auf EU-Ebene muss sich die Bundesregierung für die Einführung einer verbindlichen europäischen Kennzeichnung einsetzen, die Transparenz über das gesamte Angebot schafft – gleich ob Inlands- oder importierte Produkte.
Mehrere Schweine stehen in einem geräumigen Stall auf Stroh.

Tierschutz und Tierwohl: Infos und Einkaufstipps

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